Conzano Residenza Artistica 2013
Im Frühjahr 2013 hatte ich ein Arbeitsstipendium in Conzano im Piemont. Vom 16.05. bis zum 22.6. habe ich in dem norditalienischen Ort in der Villa Vidua gelebt und künstlerisch zum Thema: „Bilder einer Annäherung“ gearbeitet. Diese intensive Arbeitsphase war künstlerisch für mich von großer Bedeutung. Die dort entstandenen Arbeiten wurden im September 2013 der Öffentlichkeit im Palazzo „Villa Vidua“ vorgestellt.
Bilder einer Annäherung, Tagebuchaufzeichnungen
16.05.2013, Conzano, Piemont. Ich bin fremd. Genau das ist das Thema. Dieses Gefühl in Bilder umzusetzen und zu beobachten, wie sie sich mit zunehmender Nähe zum Ort und zu seinen Menschen verändern.
20.06.2013, Irgendwann früh morgen, ich wache auf und höre die Stille von draußen. Noch zwei Tage bis zur Abreise. Nur nicht die Augen öffnen, noch nicht, das Gefühl in mir überzieht mein ganzes Sein. Ich fühle mich wie nach einer durchtanzten Nacht, die Musik immer noch in den Ohren, die immer lauter, wilder und fordernder wurde. Die mich immer mehr mit sich riss in Drehungen und Wirbeln, mit weit ausgebreiteten Armen und Füßen, die sich vom Boden lösten. Immer schneller, leichter, exstatischer bis zur völligen Ermattung. Bis jetzt. Und gleichzeitig leicht und schwerelos in einem Raum, schwebend ohne jede Mühe und Angst vor dem Fall. Meine Haut hauchdünn, alles einatmend, was sie berührt, der leichte Windzug durch das Fenster, die frische Kühle des noch sonnenlosen Morgens, die gefühlten Erinnerungen an diesen gelebten Traum. Fünf Wochen mit mir allein in Conzano. Im Piemont. Eine kleine Welt entdeckt und gelebt und ausgemalt. Fünf Wochen sieben auf sieben Tage lang von morgens acht bis oft tief in die Nacht. Am Anfang lechzend nach jedem menschlichen Motiv, das sich mir bot, dem Bauarbeiter auf der Piazza, der Dame mit dem Hund. Später gelassen wahrnehmend, was sich mir präsentierte an neuen Dingen, schlussendlich mich auswringend an Kraft wie auf den letzten Kilometern eines Marathons. Süchtig nach Malen, immer mit der Gewissheit, nicht alles festhalten zu können, was kommt. Zunächst ganz vorsichtig und ängstlich, leise, klein und geschlossen. Mit unsicherem Strich in kleinen Formaten. Wenig Menschen, viel Raum. Einzelne Personen, die – man sieht nicht das Ziel – aus dem Raum herausgehen. Der Blick oft von oben, von weit weg, aus der Ferne. Schatten als Begleiter, Rückenfiguren, ohne Blickkontakt, ohne Gesichter, ohne Individualität. (…) Ganz langsam spüre ich mich öffnen. Erste Kontakte, Gespräche, Orte. Ich trinke meinen Cappuccino und lerne Menschen kennen. Sie erhalten Namen und ich treffe sie wieder. Rituale entstehen. So kann ich auch im Bild näher an die Personen herangehen. Einzelheiten und Besonderheiten erkennen, statt die Figur als Silhouette festzuhalten. Die Lockerung des Strichs ist befreiend. Ich genieße die fließende Farbe und lasse sie zunehmend spielerisch laufen. Die eigene Entspannung lockert die Malerei. Die Bilder wachsen. Es wächst die Nähe – und die Nähe zum Motiv. Mit ihr die Gedanken, Bilder und Motive in meinem Kopf. Immer mehr Ideen sammeln sich. So viele. Bilder, die beim Wachwerden an mir kleben, in die Warteliste kommen und sich gedulden müssen. Ich male Aquarelle, so viele ich schaffe. Und große Acrylbilder. Ich bin vertraut mit dem Ort und seinen Bewohnern. Ich habe meinen Rhythmus gefunden zwischen Arbeit, Cappuccino und Pranzo auf meiner kleinen Terrasse hoch über der Piazza. Abends mal ein Bier im Pub oder einen Wein bei Anna und Daniele. (…)
Ich bin Realistin, ich beobachte die Menschen in ihrem Hiersein. Meine Kunst entsteht aus dem Alltäglichen. Ich nehme die Welt im Profanen wahr und genieße das stille Beobachten.